Ian Davenport
Recent Paintings, Works on Paper and Prints
31.8.2012 - 27.10.2012
Bleiglasfenster faszinieren Ian Davenport ebenso wie die Sonnenblumen Vincent van Goghs oder die Animationsfilm-Serie The Simpsons. „Ich bin nicht an der Narration eines Bildes interessiert“, erklärt der britische Künstler seine vielseitigen Vorlieben, „sondern an den Farben“. Farben spielen in seinem Werk die tragende Rolle. Die Energien, die sich durch Kombinationen verschiedener Farbtöne wecken lassen, fühlbar zu machen, ist seine Intention. Dabei folgt der 1966 in Kent geborene Künstler dem Diktum Bridget Rileys: „Farbenergien benötigen ein neutrales Vehikel, um sich ungehemmt entwickeln zu können“. Bei Davenports Werk sind diese Vehikel Streifen.
Donald Judd und Brice Marden werden oft als Leitfiguren Davenports genannt. Doch weisen seine Bilder, vor allem die Puddle Paintings (Pfützen Bilder), deutlich über minimalistische Konzepte hinaus. Ian Davenport, der auch Schlagzeug in einer Band spielt, spürt den musikalischen Qualitäten in der abstrakten Malerei nach. Er setzt nicht isolierte Farben ein, sondern komponiert mit einem Bündel an Tönen. Ein Dutzend Farben und mehr setzt er, auf vorgetöntem Malgrund, in lückenlosen Streifen aneinander und erzeugt so einen kraftvollen Groove. Davenport unterwandert die kühle Strenge des Minimalismus mit einer Prise Anarchie. So auch in seiner Selbstfindungserzählung, die den Mythos vom Künstler auf Suche nach Transzendenz ironisiert. Als Student am renommierten Goldsmiths College in London litt er an Hunger und Heimweh und malte sich, in einem Akt künstlerischer Selbsthilfe, eine Tafel Schokolade. Sein Lehrer identifizierte das Bild sofort als Gitter im Geist der Minimal Art.
Aufmüpfige Eigenständigkeit zeigt Davenport, der 1991 für den Turner Prize nominiert war, auch in der Wahl seiner Arbeitsmittel. Er verwendete Dispersionsfarben, da es ihm gefiel, das zu tun, was man als Künstler nicht tun sollte, wechselte später aber zu qualitativ hochwertigeren Acrylfarben. Er trägt die Farben mit einer Spritze am oberen Bildrand auf und lässt sie auf dünnen Stahlblechflächen abwärts fliessen. In seinen Puddle Paintings unterbricht er den Fluss der Farbe, indem er den unteren Teil der Blechplatte zu einer waagerechten Fläche biegt, auf der die Farblinien zu Pfützen auslaufen. Zufall und Berechnung treffen in Davenports Werk überraschend aufeinander.
Das gilt besonders für seine jüngsten Puddle Paintings, die die Farbskalen von Meisterwerken der Kunstgeschichte zitieren. Davenport analysiert digitalisierte Bilder von Hans Holbein d.J. bis Cézanne am Computer. In der Ausstellung zu sehen sind Paintings, die nach Gemälden von Paul Gauguin und Pierre Bonnard entstanden. Die Bekanntheit von Maler und Werk spielt für Davenport keine Rolle. Ihn interessiert, welche Farben ein Künstler zur Verfügung hatte (in früheren Jahrhunderten deutlich weniger als heute), wie er sie eingesetzt, zur Geltung gebracht hat. In einem langen Prozess komponiert Davenport aus der Farbpalette eines historischen Bildes ein neues Werk, in dem die Temperatur des Originals fühlbar ist; die Struktur aber folgt dem Rhythmus Ian Davenports.
Gemeinsam mit den Paintings sind in der Ausstellung auch Unikate auf Papier sowie Farbradierungen zu sehen, die mit der Malerei in einem eindrucksvollen Dialog stehen. Für seine grossformatigen Drucke, betörend wie bildgewordene Melodien, verwendet Davenport das aufwendige Verfahren der Ätzradierung, bei der das Druckmotiv in eine Beschichtung geritzt und dann im Säurebad in die eigentliche Druckplatte geätzt wird. Um den Fluss der Farben auf Kupferplatten zu bringen, malt Davenport Studien, die er fotografiert. Auf der Basis des digitalisierten Fotos entstehen drei Druckvorlagen. Eine für die Farbbahnen 1, 4, 7; eine mit den Farblinien 2, 5, 8; und die dritte mit den Farbbahnen 3, 6, 9 usw. Die Druckplatten werden nacheinander abgezogen. Um ein sauberes, überschneidungsfreies Druckbild zu erlangen, ist eine Sorgfalt nötig, die im fertigen Print hinter die beglückende Harmonie der Farbklänge zurücktritt.
Alice Henkes
Biografie
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