Howard Hodgkin

28.08.2015 - 25.10.2015

 

 

 

Ein abstrakter Maler will Howard Hodgkin nicht sein. Ein poetischer vielleicht schon. Denn Poesie ist nie abstrakt. Auch wenn es für sie Formeln und Regeln gibt.

 

Seine Malerei ist Poesie der Farbe. Und seine glühenden Farben erinnern an Indien, ein Land, das Howard Hodgkin seit den sechziger Jahren bereist. Er ist ein Kenner und Liebhaber der indischen Miniaturmalerei.

 

Miniaturen sind auch seine eigenen Bilder. Vom Format selten gross, meistens handlich, ganz auf das menschliche Gesichtsfeld ausgerichtet, sind diese enigmatischen Bilder zwar nie figurativ, in ihrer körperlichen Präsenz aber durchaus gegenständlich. So hat auch jedes Werk sein Sujet, die Titel bestehen darauf. Jungle, Green Sea, Low Tide lauten drei der neun Arbeiten dieser Ausstellung. Es sind gedankliche Kondensate, wie sie auch in seinen Bildern als Farbschichten auf den Holztafeln ihren Niederschlag finden. Jedes dieser Bilder ist Verdichtung einer Erinnerung, eines Orts, eines Geschehnisses, einer Stimmung. Auch darin sind Hodgkins Bilder Miniaturen: gefilterte, wertvolle Destillate aus Momenten des Lebens. Sehr genau ist in ihnen gegenwärtig, was eigentlich kaum fassbar ist. Solches gelingt allein der Poesie, im Fall Hodgkins jener der Malerei.

 

So wird auch klar, dass diese Bilder nicht aus gestischem Aktionismus entstehen können, wie ein erster Eindruck vielleicht glauben macht. Sie sind sorgfältig herausgearbeitet, gar mühsam einer inneren Vision abgerungen. Sie sind das Ergebnis der unendlich schwierigen Arbeit des Poeten, eine ganz bestimmte Bewandtnis, Verfasstheit, Gemütslage einzufangen.

 

Nehmen wir Blue Thoughts (2010-2014), ein kleines Bild, kaum grösser als A5-Format, aber ein unendliches Meer von wogenden Blautönen, tief, gross, ja monumental. Während eines Zeitraums von fünf Jahren hat Hodgkin daran gearbeitet. Die Ausdauer, mit der er an einem Werk bleibt, bis es vollendet ist, widerspiegelt sich in der strengen Form, in die er es einbindet: hier einem breiten Bilderrahmen, der selber Teil des Malgrunds wird, das Geviert des Bildraums indes klar absteckt.

 

Wo kein Bilderrahmen, sondern nur ein Brett verwendet wird, malt Hodgkin den Rahmen oft selber. Gleich in dreifacher Weise tat er dies in The Rains Came: Ein erstes Rechteck um das Bildzentrum ist in Schwarz-Blau gehalten, dann lichtes Grün darum herum, und noch eine weitere Einzäunung mit etwas Braun und aufleuchtendem Gelb.

 

Die Frage unserer Tochter beim Mustern einer Abbildung davon als Farbkopie an der leeren, weissen Wand, ob das der kleine Bruder (3) gemalt habe, bringt da etwas auf den Punkt: „Um Haiku zu schreiben, werde ein drei Fuss grosses Kind“, sagte Bashô, der Altmeister der japanischen Gedichtform. Das Ziel der Haiku-Dichtung: die flüchtige Stimmung eines Augenblicks durch die knappe Form eines Dreizeilers zum Ausdruck zu bringen. Das lässt sich nur erreichen durch Schlichtheit der Sprache und ein Gemüt, das sich der unmittelbaren Sinneswahrnehmung ganz hingibt.

 

Wir bedienen uns hier der Sprache in der Bemühung, etwas von Hodgkins Malerei zu erfassen. Eine angemessene Antwort auf die leise, delikate Art, wie sie zu uns spricht, scheint uns aber in der Haiku-Dichtung gegeben. Die strenge Formel des Dreizeilers findet sich bei Hodgkin im Formalen des Bilderrahmens. Darin aber entfaltet der Maler mit wenigen Pinselstrichen ganze Universen - nicht anders als der Dichter mittels knapper Worte. Nicht mehr als sechs Farbspuren zählen wir im Bild In the Red Bathroom.

 

Noch weniger sind es in Autumn Landscape, wo der frei belassene Raum oberhalb der horizontal gezogenen Malschicht aus lodernden Hellgrün- und Orangetönen eine Maserung des Holzes zeigt, die Malerei gleichsam mit anderen Mitteln fortsetzt. Mit dieser Leere hat Hodgkin die Reduktion seiner Bildsprache zum Äussersten getrieben. Auch Haiku ist nicht nur, was zu lesen dasteht, sondern ebenso, was im Ungeschriebenen blosse Andeutung bleibt.

 

Dr. Philipp Meier

 

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