Michael Craig-Martin

Drawings 1967-1992, Recent Paintings and Prints.

 

Die Werke des weltberühmten Künstlers Michael Craig-Martin verblüffen durch ihre Zeitlosigkeit. In knappen Umrisszeichnungen präsentiert er uns isolierte oder ineinander verschachtelte Gegenstände der alltäglichen Dingwelt. Sujet und Bildsprache tragen zuweilen Reminiszenzen der Pop-Art, des Ready-mades und des Surrealismus. Craig-Martin vereint aber nicht nur die europäische und amerikanische Kunsttradition, sondern auch zwei Techniken – Zeichnen und Malen.

 

Longbox ist die früheste Zeichnung in der Ausstellung Drawings 1967 - 1992, Recent Paintings and Prints. Sie stammt aus dem Jahr 1967 und ist wie die Study for Formica Box als Konstruktionszeichnung tatsächlich realisierter Objekte auf isometrischem Millimeterpapier mit Kreppband gefertigt. Nach einem Wendepunkt in seinem künstlerischen Schaffen ergründet Craig-Martin das als konservativ geltende gegenständliche Zeichnen. Er entscheidet sich, alltägliche, gut wiedererkennbare, reproduzierbare und maschinell gefertigte Objekte zu zeichnen. „Ich wählte diese Gegenstände aus, weil sie für mich eine wahrhaft universelle Sprache in der modernen Welt darstellen, unsichtbar in ihrer Allgegenwärtigkeit und ohne besonderen Wert“, erklärt Craig-Martin in einem Interview.

 

Craig-Martin bedient sich eines stetig wachsenden Vokabulars an Büchern, Schirmen, Glühbirnen, Kassetten, Globen, Leitern, Schubladen und vielem mehr. Die für das Publikum gut lesbaren Bilder ohne jegliche subjektive Ausschmückung zeigen auf schlichte Linien reduzierte Gegenstände, die irgendwo zwischen Stilisiertem und Individuellem anzusiedeln sind. Manche seiner Originalzeichnungen – mit Stift und Papier angefertigt – sind vor über 30 Jahren entstanden und dienen heute digitalisiert noch immer als Vorlage. Mit schwarzem Klebeband zeichnet er Paint Roller, 1983 – isoliert, frei schwebend, aus leichter Aufsicht und in einer ¾ Perspektive – ein Darstellungsschema, das vielen seiner Werke zugrunde liegt. Study for MOMA Project, 1990 oder Study for Sunrise, 1982-83 konstruieren sich hingegen aus einem transparenten Arrangement verkeilter Objekte. Mit seinen auf den ersten Blick chaotisch scheinenden Arbeiten ermutigt der Künstler die Betrachtenden, den Blick zwischen Fragment und Gesamtform hin und her schweifen zu lassen.

 

Erst ab Mitte der 90er Jahre entstehen nebst Zeichnungen farbige Gemälde und Prints in seinem unverkennbaren grafischen Stil. In der Ausstellung stehen Envy und Pride für die Serie Seven Deadly Sins, 2008 (Sieben Todsünden). Die Titel werden im Bild in Kapitalen auf einer einheitlichen Hintergrundfarbe wiedergegeben. Die Objekte hingegen sind nur als Umrisslinie gefasst und treten zurück, obwohl sie eigentlich vordergründig gemalt sind. Craig-Martin ergänzt sein flexibles Repertoire an Objekten um Worte und erzielt dadurch ein narratives Spiel von Bild und Sprache.

 

Wirken Craig-Martins Gemälde einfach und zugänglich, ist ihr Fertigungsprozess mit bis zu dreissig sorgfältig aufgetragenen Acrylschichten allerdings langwierig und kompliziert. In seinen jüngsten Gemälden Desk Chair, 2012 und Chair, 2012 wird das tiefe Schwarz der Umrisslinien auch zur Hintergrundfarbe, so dass die zeitlos schönen Designklassiker in leuchtender Farbigkeit deutlich hervortreten. Die willkürliche Farbgebung und die teils riesenhafte Dimension der dargestellten Objekte heben deren vertraute Alltäglichkeit auf.  

 

Michael Craig-Martin wurde im Jahr 1941 in Dublin geboren und wuchs in Amerika auf. Nach seinem Kunststudium an der Yale University of Art and Architecture kehrt er 1966 nach Grossbritannien zurück. Bereits zu diesem Zeitpunkt nahm er neben seiner künstlerischen Laufbahn Lehrtätigkeiten auf. Mit seiner Professur am Goldsmiths College, London ab 1974 gilt er als geistiger Ziehvater der Künstlerbewegung der Young British Artists der 1990er Jahre. Seine Werke befinden sich in herausragenden internationalen Museen, wie zum Beispiel der Tate Gallery in London; der National Gallery of Australia in Canberra, dem Museum of Modern Art in New York, und dem Centre Pompidou in Paris. Anlässlich einer Retrospektive im Irish Museum of Modern Art in Dublin (2006) erschien eine umfassende Monographie des renommierten Kunstkritikers Richard Cork. Im gleichen Jahr wurde Craig-Martin zum Mitglied der Royal Academy of Arts ernannt; er lebt und arbeitet in London.

 

Marie-Louise Teichmann

 

Biografie

Presse text (pdf)

 


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