Sue Arrowsmith
Let the wind blow through your heart
7.06.2019 - 23.08.2019
Weiches Sonnenlicht, das durch belaubte Baumkronen rieselt und – gemeinsam mit einer lauen Brise – ein stetig wechselndes und doch immer gleiches Spiel von Licht und Schatten erzeugt: Es sind kleine Momente wie diese, die ein starkes Empfinden von Glück und Lebendigkeit auslösen können. Und es sind Momente wie diese, die Sue Arrowsmith in ihren Bildern festhält.
Licht ist Liebe, heisst es bei dem Dichter Christian Morgenstern. Licht ist Leben, kann man umfassender sagen. Licht, sagt Sue Arrowsmith, ist immer um uns, aber wir nehmen es oft nicht richtig wahr. Weil wir nach unten sehen, vor uns hin. Die Künstlerin hingegen liebt den Blick nach oben. In die verästelten Wipfel der Bäume und die bewegten Muster, die Laub und Wind und Sonne dort oben bilden.
Sue Arrowsmith gehört zu den führenden britischen Kunstschaffenden ihrer Generation. Ihre Arbeiten sind in namhaften Sammlungen wie der Arts Council Collection in London, dem San Diego Museum of Contemporary Art in den USA oder dem Kupferstichkabinett der Nationalgalerie in Berlin vertreten und in internationalen Ausstellungen zu sehen.
Sue Arrowsmith ist aber auch eine ausdauernde und aufmerksame Spaziergängerin, die die Natur beobachtet. Die Pflanzen und ihre Formen. Das Licht vor allem fasziniert sie, der Wechsel der Wetterstimmungen, der Tages- und Jahreszeiten. Sie unternimmt ihre Streifzüge manchmal ohne, oft mit Fotoapparat. Hat sie die Kamera dabei, dann fotografiert sie ins licht-durchäderte Blattwerk der Baumkronen hinein, um das schattenrissartige Muster des Laubes festzuhalten, das Leuchten des Himmel zwischen den Zweigen, den fluiden Glanz des Tages.
Zurück im Atelier beginnt ein mehrstufiger Abstrahierungsprozess. Auf Grundlage der Fotografien entstehen Bilder, deren Substanz das Licht ist. Im ersten Schrittt projiziert Sue Arrowsmith die entwickelten 35mm Dias auf eine Wand in ihrem Atelier oder auf ihren Arbeitstisch. Aus dem vielschichtigen, lebendigen Geflecht aus Ästen und Zweigen, Blättern und Stielen, das den Raum des Waldes füllt, wird ein dichtes zweidimensionales Muster. Ein zweiter Schritt der Abstrahierung folgt, wenn der eigentliche Malprozess beginnt. Sue Arrowsmith arbeitet mit flüssigen Tuschen, Aquarell- und Acrylfarben auf sehr unterschiedlichen Materialien wie Papier und Leinwand, aber auch Holzplatten oder Aluminiumpanels – und sie bezieht den natürlichen Fluss der Farbe in ihren Gestaltungsprozess mit ein. Durch die Eigendynamik der Farben entwickelt sich die Arbeit, wird vom Abbild zum Bild, das eigenen Gesetzmässigkeiten folgt und eine grosse Energie entwickelt. Das ursprüngliche, der Natur entnommene Motiv wird zu einem abstrakten Muster.
Die Farben spielen in diesem Gestaltungsprozess eine tragende Rolle. Lange hat Sue Arrowsmith mit Schwarz und Weiss gearbeitet, was eine gewisse visuelle Nähe zum Scherenschnitt erzeugt. Durch den Einsatz starker, kontrastreicher Farben steigert die Künstlerin sowohl den Eindruck der Abstrahierung wie auch die ästhetische Wirkung ihrer Bilder. In ihren aktuellen Arbeiten setzt Sue Arrowsmith zudem metallische Farben und Vergoldungen ein, die das Thema Licht noch einmal auf ganz neue Weise in die Bilder transportieren, indem sie das Licht des Ausstellungsraumes reflektieren. Im zweidimensionalen Bild deutet sich ein Moment der Bewegung an, das auf jenes Flirren des Sonnenlichtes verweist, das am Beginn der Motivfindung steht.
Die Verwendung metallischer Farben verweist auf ein weiteres wichtiges Motiv in Sue Arrowsmith‘s Arbeitsweise: Sie ist eine Künstlerin, die gern Materialien und Prozesse erforscht, die gern etwas ausprobiert. Ihr Studio gleiche einem Labor, sagt sie selber. Und das sei schon immer so gewesen. Sue Arrowsmith, 1968 geboren, hat am renommierten Goldsmiths College of Art in London studiert. Bereits in ihren Ausbildungsjahren hat sie sowohl das Erproben verschiedener Farben und Substanzen beschäftigt wie auch die Auseinandersetzung mit der Schönheit.
Schönheit ist eine Qualität, die mit der Moderne in den Verdacht der Oberflächlichkeit geraten ist. Sue Arrowsmith erobert der Schönheit wieder einen Raum in der Kunst. Es ist eine Schönheit der reduzierten Formen und kühnen Farbkombinationen, die sich nicht anbiedert, sondern etwas Forderndes hat. Und die dabei doch das grosse Glück transportieren kann, das im warmen Leuchten eines Sommertages liegt.
Alice Henkes
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Reiz des Ungewöhnlichen, Handelszeitung 4. Juli 2019 (pdf)