Ralf Peters

Flying Balances

20.04.2018 - 2.06.2018

 

 

 

Man kann sich nicht satt sehen an der Bildserie Yangmei (Chinese Balls). Rot und verlockend bieten sich die Früchte eines Erdbeerbaumes dar, umrahmt von glänzenden Blättern. Gleichzeitig scheinen sie sich zu entziehen. Die Zweige, an denen Blätter und Früchte hängen, verschwimmen im weissen Licht, das den Bildraum auf rätselhafte Weise füllt. Die Früchte scheinen im gleissenden Nichts zu schweben. Entrückt wie ein Versprechen, von dem man nicht weiss, ob es je eingelöst wird. Ralf Peters benutzt Schönheit als Köder: „Ich möchte die Betrachtenden erst einmal in den Bann ziehen.“ Doch Schönheit, wie sie der konzeptuell arbeitende deutsche Fotokünstler nutzt, hat immer auch etwas Irritierendes. Im Fall der Serie Yangmei (Chinese Balls) ist es die Kluft zwischen der Sinnlichkeit der Früchte und der Unkörperlichkeit des Raumes. Die Schwerelosigkeit der Früchte, die in verschiedenen Reifegraden zwischen den Blättern schweben, erzeugt den Eindruck grosser Künstlichkeit. Oft bearbeitet Ralf Peters seine Fotografien digital nach. In dieser Serie hat er darauf weitgehend verzichtet. Der schwebende Effekt entsteht durch die extreme Fokussierung auf die Früchte, die das Geflecht der Zweige im Hintergrund weitgehend auflöst.

 

Als Betrachter oder Betrachterin weiss man nicht, wo man steht. Die Früchte, die Peters‘ Bilder offerieren, sind verlockend, entfalten jedoch eine Ambivalenz, die nicht zum Naschen verleitet. Der grosse Weissanteil lässt die Aufnahmen licht und leicht, doch auch abstrakt erscheinen. Und wiewohl das Motiv floral ist, wirken die Bilder hochartifiziell. Flying Balances, der Titel der Ausstellung, fasst dieses Spiel mit Schönheit und Künstlichkeit, Verlockung und Reizung zusammen. Ein Spiel, das sich durch das gesamte Schaffen des norddeutschen Künstlers zieht. Ob er Motive aus der Natur, der Architektur oder der Porträtkunst wählt, stets geht es in Ralf Peters‘ Arbeiten um ein fliegendes, ein fragiles Gleichgewicht zwischen der Makellosigkeit der Oberfläche und irritierenden Details.

 

Ralf Peters arbeitet oft ähnlich wie die Romantiker, die in ihren Gemälden gern ideale Landschaften komponierten. Er erschafft sowohl verblüffend überzeugende Fake-Szenerien, wie auch Bilder realer Situationen, in denen alles echter ist, als es aussieht. In der Serie Mix zum Beispiel hat er mehrere Hotelpools, wie man sie aus Touristik-Katalogen kennt, aus immer den gleichen Bildelementen komponiert. Salta indes zeigt Fensterausblicke auf eine Flughafenanlage, die mit ihrem gleichförmigen Streifenmuster aus Rasengrün und Asphaltgrau wie eine fotografische Variation auf Farbfeldmalerei wirkt; hier jedoch hat Peters nichts manipuliert. Für seine bekannte Serie Tankstellen hat er nächtlich beleuchtete Tankstellen so fotografiert hat, dass sie wie Ufos im schwarzen Raum stehen. Die Bilder erinnern an Edward Hopper. Die Logos und Preistafeln sind wegretuschiert. 

 

Diese Verweise auf die Kunstgeschichte wie auch auf kunsttheoretische Reflexionen spielen eine nicht unerhebliche Rolle im Schaffen von Ralf Peters, der ursprünglich aus der Malerei kommt. 1960 geboren, studierte Peters bei Jörg Immendorff. Seit 1998 arbeitet er als konzeptioneller Fotograf. Seine Arbeiten werden von führenden Galerien und Museen in Zürich, Tokio und Triest, in München, Mexico City, Miami, Frankfurt und Berlin präsentiert. In der aktuellen Ausstellung zeigt Ralf Peters neben Yangmei (Chinese Balls) einige extrem querformatige Aufnahmen von Landschaften, die er in Spielwiesen verwandelt. Er überfüllt den Luftraum mit Ballons (Ballons), Hanggleitern (Glider) und Paragleitern (Paraglider) und inszeniert ein groteskes Gewimmel am Himmel.

 

Neben dieser spielerischen Ebene haben die Arbeiten von Ralf Peters eine philosophische Dimension, vor allem, wenn er mit Leerräumen arbeitet. In der Skyline-Serie fotografiert er Karussells und Strassenzüge, Wellen und Bergkämme. Das besondere an diesen Bildern ist das extreme Hochformat, in dem Peters sie präsentiert. Das jeweilige Motiv füllt maximal das untere Drittel des Bildes. Der Blick wird so unweigerlich in die Leere gelenkt, in das nachtschwarze Nichts oder das tagweisse Nirgendwo. In jenen weiten Raum der Reflexionen, in den man auch in Yangmei (Chinese Balls) eintauchen kann.

 

Alice Henkes

 

 

Biografie

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