Joan Hernández Pijuan

Des de la Finestra

30.8.2013 - 26.10.2013

 

Einfach, schlicht, reduziert, ursprünglich sind nur einige Adjektive, die oft versuchen,  das Werk Joan Hernández Pijuans zu umschreiben. Gewiss nicht mit einer negativen Intonation, sondern vielmehr in aufrichtiger Anerkennung einer Malweise, die ihres Gleichen sucht. Der Künstler lässt sich nicht in eine der verschiedenen avantgardistischen Stilrichtungen zwängen und behauptet nach wie vor eine Sonderstellung in der internationalen Kunstszene. Ausgehend von der Realität schafft er abstrakte Werke, die auf den ersten Blick minimalistisch anmuten und doch vielschichtig und komplex konstruiert sind.

 

„Ich versuche immer so zu malen, als wüsste ich nichts über die Malerei, als wäre jedes Bild mein Erstes“, beschreibt Joan Hernández Pijuan seine unvoreingenommene Herangehensweise an jedes einzelne Bild. Er verzichtet auf eine detailreiche Wiedergabe einer Impression und fokussiert das Wesentliche, gar das Urtypische einer Landschaft, eines Weges, Feldes, Baumes oder Hauses. In knappen, schemenhaft angedeuteten Umrisslinien fängt er die Charakteristika ein, die für den Betrachter unmissverständlich sind.

 

Die Sommerresidenz des Künstlers liegt in dem Dorf Folquer, inmitten einer bäuerlich geprägten Gegend, 150 Kilometer fern vom pulsierenden Barcelona. Die karge katalanische Landschaft seiner Heimat wird mit ihrer Ruhe und Eintönigkeit ab den siebziger Jahren zum zentralen Thema seines Schaffens. Ocker, rotbraunes Siena, gesättigtes Grün, von der Sonne getränktes Gelb, opakes Weiss und changierendes Schwarz zählen zu seiner bevorzugten Farbpalette. So schildert Joan Hernández Pijuan die erdigen Töne der Natur, die er mit ihren Licht- und Farbspielen nicht nur bei Spaziergängen, sondern auch aus dem Atelierfenster beobachtet.

 

Malschicht um Malschicht formen sich seine Gemälde aus dem Inneren heraus; oft zitiert als ein Verweis auf den ewig wiederkehrenden Kreislauf der Natur. Mit einem Spachtel trägt er die Farbe pastos auf die Leinwand, gefolgt von schnellen, gezielten Einritzungen mit einem Kohlestift oder dem Stielende des Pinsels in den noch feuchten Malgrund. Ein fortlaufender Vorgang, mit dem der Künstler seine Bilder geradezu modelliert – jede überlagernde Malschicht birgt die repetierenden Furchen oder ornamentalen Muster der darunter liegenden. Er visualisiert den Malprozess und schafft ein Spannungsgeflecht zwischen der Fülle des Bildraums und der vermeintlichen Leere der geritzten Zeichnung. Im Ölbild Des de la Finestra (Blick aus dem Fenster) malt Joan Hernández Pijuan sein Werk in den farbigen Grund hinein, indem er dem intensiven Grün ein mattes Schwarz aufsetzt. Das durchscheinende Grün definiert die Bildfläche, akzentuiert wiederum durch die Umrisszeichnung eines Rahmens, wodurch der Charakter eines Bildes im Bild entsteht – das Fenster.

 

Immer wieder ziehen den Künstler die gleichen Bildmotive an, die er malt oder zeichnet. Für ihn ist der Paradigmenstreit der Kunstgeschichte irrelevant. Joan Hernández Pijuan vereint nicht nur beide Techniken in seiner Ölmalerei, sondern spricht der Zeichnung selbst einen gleichwertigen Stellenwert in seinem Œuvre zu. Die sonst in die Farbe eingeschriebenen Zeichen sind in den Papierarbeiten Farbflecke oder Umrisslinien - so zum Beispiel in Rosa Horizontal, das zudem als Grundfarbe ein im Werk selten zu findendes rauchiges Rosa trägt.

 

Joan Hernández Pijuan wurde 1931 in Barcelona geboren; er verstarb im Dezember 2005 im Alter von 74 Jahren in seiner Heimatstadt. Seit 1976 hatte er eine Professur an der Escuela Superior de Bellas Artes de Sant Jordi, Barcelona, inne – dort, wo er einst selbst Student war. Im Jahr 1989 erhielt er den Lehrstuhl für Malerei an der Facultad de Bellas Artes de la Universidad de Barcelona. 1996 wurde er zum Mitglied der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando de Madrid ernannt. Dreimal waren seine Werke auf der Biennale in Venedig zu sehen; 1960 und 1970 als Repräsentant seines Landes und 2005 im Rahmen einer Sonderschau im italienischen Pavillon. Im gleichen Jahr wurde er für sein Lebenswerk mit dem Premio Nacional de Arte Gráfico ausgezeichnet. Seine rege Ausstellungstätigkeit und die Präsenz seiner Werke in international renommierten Sammlungen, wie dem Museum of Modern Art, New York, oder dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid, zeugen von der ungebrochenen Anerkennung seines Schaffens. 

 

Marie-Louise Teichmann

 

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