Erwin Blumenfeld

Vintage

14.6.2010 - 17.7.2010

 

Erwin Blumenfelds Ankunft in Paris im Jahre 1936 markierte den Anfang seiner Laufbahn als professioneller Fotograf. Bis anhin war er verschiedenen Tätigkeiten nachgegangen, hatte Amateur-Fotografie betrieben, Dada Collagen kreiert, Bilder gemalt und Kurzgeschichten geschrieben – sofern ihm seine kaufmännische Tätigkeit Zeit dazu liess. Nach der Pleite ­seines Ledergeschäftes in Amsterdam – verursacht durch Hitlers ­Propaganda – öffnete sich dem 1897 geborenen Berliner eine Tür in Paris. Auf dem fruchtbaren Boden der «Ville Lumière» schlug der kulturhungrige Zeitgenosse Man Rays rasch ­Wurzeln, ergatterte sich seine ersten Aufträge und publizierte Fotos. Auf den eindrucksvollen Seiten der neuen Kunstzeitschrift VERVE wurde sein Werk einem anspruchsvollen französischen Publikum vorgestellt. Über VOGUE und HARPER’S BAZAAR gelang ihm schliesslich der Sprung nach Amerika, der sich als lebensrettend erweisen sollte.

 

Blumenfeld hatte oft Glück in seinem Leben. Nicht nur, weil er als deutscher Soldat den Ersten Weltkrieg überlebte und im Zweiten Weltkrieg den Nazis entglitt, sondern vor allem auch, weil es ihm gelang, seiner Bewunderung für das Ewig Weibliche Gestalt zu verleihen und diese Neigung in einen erfolg­reichen Beruf zu verwandeln. Seine Stärke als Fotograf waren die ­Frauen: er hatte eine Schwäche für sie. Er betete sie an mit der glühenden Scheu eines romantischen Jünglings, suchte ihre Seele und fand sie manchmal im schlafenden Antlitz der im Traum entrückten Muse.

 

Seine unnahbaren Schönheiten hat er oft verhüllt dargestellt. Nicht aus Prüderie, sondern spielerisch das von Freud entdeckte, verschleierte Unterbewusstsein andeutend und gleichzeitig eine Aura von Erotik verbreitend. Gerne zitierte er das Bonmot von Karl Kraus, dass der normale Mann das nackte Frauenbein liebt, der Erotiker das seidenbestrumpfte Bein vorzieht, der Perverse hingegen den Strumpf allein begehrt. Blumenfelds Liebe zu Tüll und Seide führte 1938 zu seiner berühmten Ikonen-Serie des «Nassen Schleier» («Nude under Wet Silk»). Auch Solarisa­tionen dienten dazu, eine magische Barriere zu errichten. Ebenso brachte Blumenfeld zahlreiche weitere Techniken, Spiege­lungen, Doppelbelichtungen, Schattenbilder, Screens usw. meisterhaft zur Anwendung, um seinen Subjekten eine surreale Note aufzuprägen.

 

Blumenfelds idealisierende Höherstellung der Frau unterscheidet ihn unwiderruflich von der heutigen Fotografie. Seit den Sieb­ziger Jahren sind viele Fotografen dazu übergegangen, Erotik mit krasser Pornografie zu übertrumpfen. Der allseits verbreiteten Darstellung von Brutalität und Perversion ist es weitestgehend gelungen, jedes ästhetische Feingefühl im Keim zu ersticken. Im Gegensatz dazu führte in den 40er und 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gerade Blumenfelds bewundernder Respekt für alles Weibliche zu einer langjährigen, brillianten Karriere in New York. Als Modefotograf und Vorgänger Richard Avedons und Irving Penns machte er Tausende von Aufnahmen, die dank seines Einfallsreichtums und seiner Mitarbeit bei der grafischen Gestaltung heute noch als Vorbilder dienen.

 

Neben den vielen Mode- und Werbeaufträgen fuhr Blumenfeld bis an sein Lebensende fort, Frauen und Akte zu fotografieren. Ihnen wusste er oft etwas Skulpturales oder Abstraktes zu verleihen, genau so, wie es ihm früher gelungen war, Skulpturen zu animieren und ihnen Leben einzuhauchen. So sind seine Fotos weiblicher Schönheit zu einem Zeitdokument und zu einer ­Rarität geworden – und dies werden sie mit Bestimmtheit auch in Zukunft bleiben.

Marina Schinz

 

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