Andrew James Ward
Between the Forest and the Trees
7.11.2014 - 20.12.2014
Die letzte Zeile eines Gedichts von Andrew James Ward, verleiht der aktuellen Einzelausstellung des schottischen Künstlers in der Galerie Andres Thalmann ihren Titel: Between the Forest and the Trees. Die Aussage ähnelt dem deutschen Sprichwort, “den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“. Denn wie oft geht es uns doch so, dass wir den Blick für etwas Offensichtliches verlieren, dass wir uns im Geäst von Informationen verlaufen und uns dabei das Gespür für das Essenzielle abhanden kommt? Ward lenkt in seinem jüngsten Schaffenszyklus die Aufmerksamkeit des Betrachters und der Betrachterin auf Vasen, ein in seinem Werk wiederkehrendes Sujet. Anders als in den in sich ruhenden, standfesten, wie getöpferten Schalendarstellungen aus dem Jahr 2011 pulsieren die neuen Arbeiten voller Energie und Emotionen. Niemals dem Stillstand unterworfen – ähnlich den verschiedenen Lebensabschnitten eines Menschlebens – interpretiert Ward den oft zitierten Gegenstand neu und bettet die Gefässe in ein Landschaftsmotiv ein. Die Vasen symbolisieren das Leben, erklärt der Künstler: „These new works are about the everchanging form of life. They are about birth and death and at the same time about that that never changes. The paradox of the infinite.“
Ein Gedicht des indischen Dichters Kabir beeinflusst von Beginn an die Vasenserie von Ward wie ein Leitmotiv und schlägt auch eine Brücke zu anderen wiederkehrenden Motiven wie dem Meer und den Bergen und nun neu dem Wald, Landschaften, die immer mit verschiedenen Lebensstationen des Künstlers verknüpft sind.
Inside this clay jug are canyons and pine mountains
and the maker of canyons and pine mountains!
All seven oceans are inside and hundreds of millions of stars.
The acid that tests gold is there,
and the one who judges jewels.
And the music from the strings that no one touches,
and the source of all water.
If you want the truth, I will tell you the truth;
Friend, listen: the God whom I love is inside.
Ein gleiches alt-chinesisches Muster ziert alle enorm vergrösserten und prominent im Bildzentrum platzierten Gefässe. Sie sind transparent; hinter ihnen zeigt sich ein zum Teil mystischer Hintergrund. Dieser findet seinen Ursprung im Wald, der seit dem Umzug des Künstlers von Schottland in die ländlich geprägte Gemeinde Wehrheim in Deutschland zu einem alltäglichen Begleiter und einer neuen Inspirationsquelle geworden ist. Erst in Studien und Zeichnungen eingefangen, treten Wälder nun auch in den gezeigten Ölgemälden auf, mal konkreter wie in dem Werk Oasis Vase, wo die weisse Vase wie ein lückenhaftes Mosaik vor einer tropischen Landschaft mit Palmen und dünstenden Hügeln schwebt. Der vom Wüstensand in gelbliches Ocker gehüllte Himmel und die herunterrinnende Farbe der lasierend aufgetragenen Malschicht machen die Hitze für den Betrachter geradezu spürbar. Auch in dem über drei Meter breiten Werk Limas Vase stellt Ward eine erkennbare Szene da, allerdings deutlich expressiver in der Farbgebung. Ein verästeltes Dickicht vor einer bunt geziegelten Mauer wirft lange Schatten ins Bild und durch die leinwandhohe durchscheinende Vase hindurch. Über der Gefässöffnung schwirren Lichtpunkte wie Glühwürmchen durch die Zweige in die Ferne.
In anderen Werken abstrahiert der Künstler das Landschaftsmotiv zunehmend, so dass in Methuselah Vase nur noch Horizontlinien verbleiben. Hier tritt die Vase selbst mit ihren energiegeladenen, sich hinauswindenden Fühlern dominant in den Vordergrund. Je reduzierter der Hintergrund, desto kraftvoller scheint das Eigenleben der Vasen. Diese Kraft ist in Yellow River Vase noch im Inneren der Vase geballt und scheint zu strahlen, so dass sich ein leuchtendes Türkis klar von der orange gefärbten Aussenwand des Gefässes abhebt. In Egyptian Forest Vase, Red Forest Vase und Night Vase beginnt die Energie zu strömen und sprudelt voller Kraft über. Ihre positiven Teilchen durchdringen das Gefäss, während der Hintergrund Rätsel aufwirft.
Neben verschiedenen Malereien auf Papier, die ebenfalls das Motiv der Vase aufgreifen, zeigt die Ausstellung auch eine Serie von fünf Meerbildern. Im Gegensatz zu den farbenfrohen Ölbildern sind diese Zeichnungen mit Graphit und Acryl in schwarz-weiss gehalten. Ward hat diese in der Nacht mit Blick auf den Atlantik und die Summer Isles an der Westküste Schottlands gezeichnet. Auch hier zeigt sich des Künstlers Faszination für Veränderung und Ewigkeit, die er so zum Ausdruck bringt: „The moving sea, the clouds, the moon, the sound of the waves lapping on the shore, have always been changing, not one moment ever the same. And at the same time it has never changed for millions of years. One stands on the edge of eternity, always.“
Marie-Louise Teichmann
Biografie
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